Deutschland ist seit vielen Jahren der wichtigste Exportmarkt für Flandern. Im Jahre 2015 gingen ca. 17 % des flämischen Gesamtexports nach Deutschland. Das Gesamtvolumen der Exporte belief sich damit auf insgesamt fast 50,6 Mrd. Euro und stieg im Vorjahresvergleich um 2,6%. Rund 85% der belgischen Exporte stammen aus Flandern. Deutschland ist der wichtigste Abnehmer flämischer Produkte und nach den Niederlanden zweitwichtigster Lieferant für Flandern. Flandern importierte 2015 deutsche Güter in Höhe von ca. 35 Mrd. Euro.
Dies sind beeindruckende Zahlen. Die deutsche Wirtschaft erlebt das stärkste Wachstum seit der Wiedervereinigung und beeinflusst als Konjunkturlokomotive Europas auch den bilateralen Handel mit Flandern positiv. Seit den 50er Jahren wurden zudem von beiden Seiten in erheblichem Maße Direktinvestitionen getätigt, die zu einer besonders engen wirtschaftlichen Verflechtung beitrugen.
In Deutschland ist Nordrhein-Westfalen unser wichtigster Handelspartner. NRW liegt nicht nur in direkter Nähe, sondern ist auch mit etwa 18 Millionen Einwohnern das größte deutsche Bundesland. Mit fast einem Drittel fließt der größte Anteil der Exporte nach Deutschland im Bereich der chemischen Industrie. Aber auch Sektoren wie Automotive, Brennstoffe, Maschinen, die MedTech-Industrie und erneuerbare Energietechnologien spielen eine wichtige Rolle.
Flämische Unternehmen in Deutschland
Aus den oben genannten Zahlen geht eindeutig hervor, dass der Austausch von Gütern und Dienstleistungen zwischen Flandern und Deutschland für unsere Wirtschaft von größter Bedeutung ist. Dennoch bleiben diese Wirtschaftsbeziehungen nicht auf den Handel beschränkt. Es werden von beiden Seiten auch bedeutende Investitionen getätigt.
Es gibt viele flämische Tochtergesellschaften in Deutschland. Einige Namen dürften bekannt sein. Das multinationale Unternehmen Agfa-Gevaert hat traditionell enge Beziehungen zu Deutschland. Gevaert, ein flämischer Hersteller von u.a. photographischen Materialien, ist in den letzten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts allmählich mit dem deutschen Wettbewerber Agfa zusammengewachsen. Die Rollen wurden allerdings getauscht. Als der deutsche Chemiekonzern Bayer, ein wichtiger Aktionär, seine Agfa-Aktien 1999 verkaufte, haben flämische Finanzierer die Gelegenheit genutzt, diese in Gevaert zu investieren. Die Marke Agfa, der Verwaltungssitz in Deutschland sowie die Notierung an der Frankfurter Börse blieben erhalten.
Ein anderes Beispiel ist InBev Deutschland. Mit Verwaltungssitz in Bremen gehört die flämische Tochtergesellschaft zum international führenden Braukonzern Anheuser-Busch InBev, der 2008 durch den Zusammenschluss von InBev und Anheuser-Busch entstanden ist. Mit einem Absatzvolumen von neun Millionen Hektolitern Bier ist InBev Deutschland das zweitgrößte Brauereiunternehmen hierzulande. Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist sowohl geografisch als auch in Hinblick auf das Sortiment in allen Bereichen des deutschen Biermarktes vertreten.
Es fanden auch zwei wichtige Übernahmen in neueren Branchen statt. Wita Proteomics (Berlin) wurde Ende 2002 von dem biotechnologischen Unternehmen Eurogentec aus Gent übernommen. Dieses Unternehmen ist zusammen mit Innogenetics einer der Pioniere der flämischen Biotechnologie.
Auch das flämische Softwareunternehmen Arinso hat Ende 2002 eine deutsche Firma aus derselben Branche, IT2 Information Systems, übernommen; damit wird diese Unternehmensgruppe in Deutschland eine von den wichtigsten in diesem Bereich. Das flämische Medienunternehmen Studio 100 hat im Jahre 2008 die Unterhaltungssparte von EM.Sport Media gekauft. Durch diese Übernahme übernahm Studio 100 unter anderem die Leitung des Kinderkanal Junior TV in Deutschland.
Deutsche Unternehmen in Flandern
Flandern ist führend, wenn es um die Anzahl deutscher Direktinvestitionen geht. Laut fDi Markets wurden zwischen 2003 und 2010 83 Projekte realisiert, womit 60% aller deutschen Investitionsprojekte in Belgien nach Flandern gingen. In diesem Zeitraum lagen die deutschen Investitionsschwerpunkte im Bereich der chemischen Industrie und des Fahrzeugbaus in Antwerpen bzw. Brüssel.
Innerhalb Flanderns verbucht Antwerpen die meisten Investitionsprojekte. Vor allem im Antwerpener Hafen gibt es eine starke Konzentration der wichtigsten deutschen petrochemischen Unternehmen wie BASF, Bayer, Lanxess und Degussa. Sie haben dazu beigetragen, dass sich Antwerpen nach Houston (USA) weltweit zum zweitgrößten Zentrum der petrochemischen Industrie entwickelt hat. Einige dieser Unternehmen haben außerdem in jüngster Zeit umfangreiche Erweiterungsinvestitionen getätigt. Zudem ist Antwerpen für Deutschland ein wichtiger Import- und Exporthafen.
Eine lange Tradition in der Automobilproduktion sorgt auch heute noch für anhaltende Investitionen internationaler Automobilhersteller. Neben wichtigen Produktionsstätten in Flandern und der Hauptstadtregion Brüssel, wird auch zwischen deutschen und flämischen Zulieferunternehmen eng zusammengearbeitet. Ein Drittel der deutschen Investitionen in Flandern ist im Bereich der Fertigung angesiedelt. Die Schließung des traditionsreichen Pkw-Montagewerkes von Opel (Antwerpen) Ende 2010 war ein schmerzhaftes Ereignis. Alle verbliebenen Pkw-Hersteller werden 2011 ihre Produktionen jedoch hochfahren. Auch von Audi kamen 2010 positive Meldungen: der neue Audi A1 wird exklusiv in Brüssel gebaut.
In Flandern sind zudem große deutsche Unternehmen im Transportgewerbe, in der Versicherungsbranche und in der Zuckerindustrie (nach der Übernahme der Zuckerraffinerie in Tienen durch Südzucker in den achtziger Jahren) tätig. Darüber hinaus ist Deutschland ein aktiver Investor im Bereich Erneuerbare Energien. Große Energiekonzerne wie RWE und E.ON, aber auch kleinere Hersteller von Solarmodulen und Komponenten, sind mit Vertriebsniederlassungen in Flandern vertreten oder in Offshore-Projekten in der Nordsee aktiv.
Ein weiterer Höhepunkt der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Flandern und Deutschland sind die gemeinsamen Interessen und Projekte im Bereich Forschung und Entwicklung. BASF ist neben Siemens einer der wichtigsten Investoren in Flandern im Bereich FuE. Aber auch kleinere Unternehmen profitieren von einem günstigen Forschungsumfeld. So stockte zum Beispiel Cenix BioScience aus Dresden Anfang 2011 ihre R&D-Aktivitäten mit einer neuen Niederlassung in Flandern auf.
Die deutsche Wirtschaft ist heute mit einer großen Zahl von Firmenniederlassungen in Flandern vertreten. Daneben unterhalten zahlreiche deutsche Firmen und Verbände in Brüssel Repräsentanzen zur Interessenvertretung bei der EU. Deutsche Unternehmen in Belgien beschäftigen rund 70.000 Arbeitnehmer.